Hola!
Beim Hören der Musik der Hermanos dürfte sich der ein oder andere fragen, was zum Teufel diese 11-köpfige Kapelle da eigentlich veranstaltet. Es scheppert und knarrt, schleppt und rennt und sprüht dabei auf unnachahmliche Art und Weise vor Vitalität. Der ständige Kampf mit der Materie eben, bei dem nur Langweiler immer siegreich bleiben.
Reisemusik – Musikreise
Mediterrane Weisen, Caribbean Sound, niederbairische Gstanzl (sog. Schmalzler), Wüsten-Pop, Minimalmusik (mit großem Orchester), Country, Swing, Tango und dann ab in den Dschungel, Baby! Um nur einige Haltestellen zu nennen. Korrekt zusammengefasst heißt das einfach Volksmusik. Allerdings wird hier nicht mit wissenschaftlicher Akribie in verstaubten Archiven nach den Wurzeln populärer Musik geforscht. Das Treibgut, das auf Flohmärkten in den Plattenkisten strandet und langsam verrottet, stellt den musikalischen Genpool, aus dem die Hermanos sich bedienen. Respektlos? Nein. Mit ganz viel Liebe.
Das Alte im Neuen bewahren
Obwohl die Hermanos wohl eher Bewahrer als Erneuerer sind, kann man weder ihre Vorlieben noch ihre Methoden als konservativ abtun. Während der Chef, Senor G.Rag, eine kostbare alte Jazzgitarre bearbeitet, klappert Mr. Zelig auf diversen Abfalleimern und anderem Schrott den Rhythmus (der im übrigen jeden Breakbeat-Programmierer mit den Ohren schlackern ließe). Überhaupt hat der Schrottplatz ähnlich viel Anteil an der Instrumentierung wie die Musikalienhandlung oder die Spielwarenabteilung von Obletter. Musique concréte. Auch wieder so ein Fundstück.
Musikalisches Understatement
Kurz: eine sehr seltsame Kapelle praktiziert hier musikalischen Eigensinn als wäre es die normalste Sache der Welt. Den Hermanos geht es nicht in erster Linie um musikalische Perfektion, hier wird der Dilettantismus kokett umgarnt und der Trompeter, der eigentlich den Ruf „Miles Davis von Niederbayern“ weghaben sollte, wird „Die Sau“ geschimpft. Weil man manchmal Weinen muss, wenn er spielt. Aber obwohl den Hermanos der Blues kein bisschen fremd ist, geht es bei ihren Konzerten doch vor allem um eines: Gemeinsam mit dem Publikum ganz entspannt einen gemütlichen Abend zu verbringen. Und wenn sich manch ein Zuhörer denkt „junge…das hört man nich alle Tage“, dann hat er vermutlich recht. So was verbindet.
Die neue Platte in Cinemascope: O321H
Radio Tijuana hieß das sehr rohe Debüt der Hermanos. Der Nachfolger, O321H (sprich: „oh-dreieinazwanzg-ha“), kommt mit neuen tonalen Schattierungen und deutlich vergrößertem musikalischen Hubraum daher. Der Titel bezieht sich übrigens auf die Typenbezeichnung jenes blau-weißen 62er Mercedes-Benz-Omnibus, mit dem G.Rag y los Hermanos Patchekos vorzugsweise Europa unsicher machen.