Was machst Du heute so?
Ich gehe auf Analstahl!
Wiebittewas??
Anastahl, das ist so ne Punkband von Freunden.
Und die heißen Analstahl?
Oh, ich vergesse immer, wie komisch das klingt: Analstahl.
(Fan*in im Gespräch mit neuer Kolleg*in)
Spricht man hier schon von Semantikverschiebung oder eher von Bedeutungswandel? Sicher ist, dass der kantige Begriff Analstahl in gewissen Peergroups einen Rundschliff erfahren hat und zu einem ganz unschuldigen Ding geworden ist. Zu einem Bandnamen von mittlerweile fünf sehr nicen Dudes. Dabei sollte Analstahl anfänglich bestimmt schocken. Immerhin hat der Name der Band in ihrer mittleren Schaffensperiode einen Support bei sowohl musikalisch als auch pornografisch recht biedern Band Rockbitch eingebracht. Zu Recht vergessen und total irrelevant.
Gegründet wurde Analstahl Anfang der 90er von drei Kletterern, um bei deren Zusammenkünften aufzutreten. Die Musik, die diese ganz eigene Sport-Community befriedigte, war ähnlich wie bei den Skatern seinerzeit eben Punk, sehr sehr schnell und laut. Die sogenannten Kletterfeste waren legendär für ihren puren Hedonismus gepaart mit der Lebensverachtung, die für diesen Sport nötig ist und dieses Mindset hat die Band aufgesogen und bis heute kultiviert.
Analstal sind heute:
Anslstahltoni aka Der Stier von Kochel aka Anton Lamprecht – Gesang
Aanalstahlstübner aka G.Rag aka Andreas Staebler – Gitarre & Gesang
Anahlstahljakl aka Jakl aka Jakob Werth- Drums & Arwork
Anahlstaltobi aka Tobster aka Tobias Siegert – Bass & Production
Analhlstahlgringo aka Gringonikus – Cuts & Scratches
Die erste Besetzung waren der Rodler am Schlagzeug, mittlerweile Professor in England, Kletterlegende Anton Lamprecht am Gesang und Constl am Bass. Constantin Curtius spielte bei der stilbildenden Münchner Hardcore-Band Nonoyesno und ist 2022 leider verstorben. Diesem Freigeist & Herzensmenschen ist Pillepalle Gemüsehalle gewidmet.
Als Gitarrist wurde Stübner verpflichtet, der seinerzeit bei der Gutfeeling-Band Inpalumbia spielte und mittlerweile als G.Rag verschiedene Formationen führt.
Eine selbstgebastelte 10Inch mit 12 Tracks war 1994 das erste Lebenszeichen auf Vinyl, 1998 folgte die LP Daneben mit 26 Stücken und 2000 eine Split-10” mit der Münchner Allstar-Band Munich Punks.
Analstahljakl aka Jakob Werth wurde Schlagzeuger und zeichnet (!) als begnadeter Grafiker auch für das Artwork des neuen Albums Pillepalle Gemüsehalle verantwortlich, ebenso wie Analstaltobi aka Tobias Siegert nicht nur Bass spielt, sondern in seinen Minga Records Studios die Aufnahmen fertigte. Irgendwann kam einer auf die Idee, dass mehr Hip Hop sein muss und Gringo (of Freaky Fukin Weirdoz) kam mit Turntable und Effekten vorbei. Eine sehr, sehr gute Idee, die sich auf dem Album Pillepalle Gemüsehalle erstmals manifestiert.
Hey, kommste mit heut’ auf Analstahl?
Wohin bitte?
Analstahl!
Was soll das denn sein?
So ‘ne Punkband, kommste mit?
Eklig. Und Punk is’ nich so mein Ding.
Checks halt! Das is’ pure Energie, da gehts nich drum ob man das mag, da geht’s ums eskalieren!
(Der 17jährige Anton K. im Gespräch mit einem Bro.)
Dicke fette Spiesser
… schwitzen an der Isar. Großes Thema auf Pillepalle Gemüsehalle. Die Umwelt und ihre Zerstörung. Kein Wunder, denn als Klettermenschen und Wandervögel lieben sie die Natur und feiern sie hart. Aber danach deinen Scheiß wegräumen. Logisch. Highspeed Punk. Hört diese Rhythmusgruppe und betet sie an!
Raus
Gleich zum inhaltlichen Gegenentwurf. Die Stadt, der Beton, die Straße engen ein. Wir müssen, wir sollen raus. Wahrscheinlich in die Natur. Classic 9ties Ami Core.
Schilderwald
Aber noch ist es nicht so weit. Wir wirren erstmal durch den Großstadtdschungel. Keine Freiheit, nur Verbote. Groovie Spoken Word with blips, tweeps & brrps..
Try to live in my own world
Da baut man sich doch lieber seine eigene Welt mit Uhhs und Ahhs. Early Bad Religion maybe?
Bass, how low can you go?
So lange ich mich erinnern kann, Teil der Live-Show. Und ein Liebesbekenntnis zu Hip Hop. PE im Besonderen.
Ich zünd mich an
Und schon wieder wollen sie weg, weg, weg. Nicht ohne zuvor ein reingendes Leuchtfeuer zu zünden. Alles muss brennen, alle müssen rennen.
Always something
Schöner kann ein Black Flag-Tribut gar nicht klingen. Constl hätte es geliebt! Text von Alois Gastager, Bademeister in Chieming.
Tretbar
Fahrrad gegen Auto. Am schlimmsten ist der Kampf in der Unterführung, die nach Paul Heyse, dem ersten Deutschen Literaturnobelpreisträger, benannt wurde. Niemand kennt seine Bücher, jeder seine Unterführung.
No Borders (Sleaford Rocks)
Wir schießen auf Grenzen und lieben die Sleaford Mods. Cutz by Gringo.
Snakefinger Deutschland
Back to the Crustipunks-Roots. Snakefinger ist zwar in Österreich gestorben und hat nie CRASS gesehen und trotzdem kriegt Deutschland den Stinker.
Kleines Feedback
Bissl Drone. Für Constl im Melvinshimmel.
Abfall
Und schon wieder Müll. Das Leben als Halde (am Balde?), das Reihenmittelhaus am Endlager. Entspannter Rocker. Text von Alois Gastager.
Entschleunigung
Wider der Selbstoptimierung mit Bam Bam und seiner analogen Drum Machine und dem Münchner Kneipenchor.
Holy crap dude
Gringo on the Decks. Turntablism excellence.
Rackete statt Raketen
Carola Rackete. Vom rechten Saukerl Salvini als sbruffoncella (kleine Angeberin) geziehen, von uns als Heldin verehrt. Kommt bloß nicht auf die Idee, sie wegen ihrer Dreads zu dissen …
Nazi Punks / Babylon
Einmal Dead Kennedys, schneller als das Original, aber langsamer als Napalm Death und einmal Cultural Verballhornung. Die kommen wohl mit allem durch!
Red Hair
Ebenfalls ein Klassiker in der Setlist. Geschrieben vom Labelboss Daniel Kappla aka DJ Ernesto. Singt auch mit. Musste auf die Platte, sonst hätte es sie nie gegeben. Scheiß Business.
Freund
… ein Gedicht!
Abstand vom Abstand
München ist das Mendocino Homeland, wo das Gras immer grün und verboten ist und zu viel Abstand tut uns allen irgendwann nicht gut. Lookout forever!
Revolotion
“Macht kaputt….” für Digital Natives. Superschnell und auch schon nach einer Minute vorbei. Weil Aufmerksamkeitsspanne und so…. Den Joke mit der Schreibweise hab’ ich nicht kapiert.
Nehmt der Kohle ihre macht
Text vom Chieminger Bademeister Alois Gastager. Wenn das mal kein Deutschpunk-Protestsong im klassischen Sinne ist, weiß ich’s nicht. Knuffige Naivität inklusive!
N.O.W.A.R.
Und nochmal Bam Bam mit seiner analog sequenzierenden Rhythmusmaschine (muss man gesehen haben) und einem crassen Aufschrei gegen den Krieg.
Abfahrt
Ok, das ist der schnellste Song des Albums. Hört auf Stübners schöne Kalle-Krawinkel-Gitarre.
Das war Analstahl
Irgendwie inspiriert von den Marionetz singen Analstahl ihren Abschiedssong…
Ich will meinen Spaß zurück
…aber da kommt noch was: Lieblingslied und wichtigstes Motto für das Jahr. (Ja es ist ein Cover von Bärchen & Die Milchbubis)
Bärchens Schlusswort
Danke, Bärchen!