PREKÄROTOPIA ist frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden Personen sind jedoch keineswegs zufällig.
Die Künstlerinnen Beate Engl, Leonie Felle und Franka Kaßner spielen Speaker, Poupée und Trickster, die im System PREKÄROTOPIA zwischen Tanzeinlage und Abrissbirne leben.
Der Titel des Stücks vereint „Prekariat“ und „Utopie“ zu einer Art Kippfigur, in der zugleich Möglichkeit und Unmöglichkeit aufscheint.Auch dramaturgisch und musikalisch ist das Stück von Gegensätzen und Brüchen gekennzeichnet: Mal individualistisch vereinzelt und misanthropisch, mal in solidarischer Euphorie gegen die bestehenden Bedingungen vereint, sind die Charaktere weder statisch noch prototypisch, sondern entwickeln sich im Laufe des Stücks – aufeinander zu und aneinander vorbei.
Die insgesamt zwölf von den Künstlerinnen komponierten und verfassten Lieder – darunter gehauchtes Chanson, agitatorischer Appell und röhrender Punksong – umreißen eine Ästhetik der politisch-ideologischen Differenz und werfen Fragen über Form und Wirkung
gemeinschaftlichen politischen Handelns auf. In Anlehnung an Bertolt Brechts Definition der „Bettleroper“ als Stück für, nicht über „Bettler“ versteht sich PREKÄROTOPIA nicht als gesellschaftliche Bestandsaufnahme, sondern als Kommunikationsmittel.
PREKÄROTOPIA liegt eine unorthodoxe Interpretation des traditionellen Singspiels zugrunde. Als Singspiel gilt ein meist heiteres Schauspiel mit musikalischen Einlagen. Mit Beginn des 18. Jahrhunderts entwickelte es sich zum einfacheren, bürgerlichen Gegenstück der aufwändig produzierten höfischen Oper. Die breit gestreuten Vorbilder für das Stück von Engl, Felle und Kaßner reichen vom sowjetischen Künstlertheater und
linksrevolutionären Arbeiterlied der 1920er Jahre über den deutschen Revuefilm und das US-amerikanische Aqua-Musical der 1950er Jahre bis hin zu Musikvideos der Neuen Deutschen Welle.
Das „Prekariat“ bezeichnet den Teil einer Bevölkerung, der, bedingt durch unsichere Lebens- und Arbeitsverhältnisse, in Armut lebt oder von Armut bedroht ist.
PREKÄROTOPIA is entirely fictitious. Any resemblance to actual events or living persons,however, is hardly coincidental.
The artists Beate Engl, Leonie Felle, and Franka Kaßner star in the roles of Speaker, Poupée, and Trickster, who live in the system PREKÄROTOPIA between dance number and wrecking ball. The tite blends the “precariat” and “utopia” in a kind of ambiguous figure—depending on one’s angle of view, it is an emblem of possibility or utter impossibility. Dramaturgically and musically, too, the performance is a roller coaster of contrasts and
sudden shifts: now trapped in individualistic and misanthropic isolation, now filled with euphoria by their shared struggle against the existing conditions, the characters are neither static nor prototypical, developing over the course of the play, approaching, and ultimately
failing to achieve, mutual understanding.
Altogether twelve songs with lyrics and music by the artists—including a breathy chanson, impassioned agitation, and a bawled punk ballad—outline an aesthetic of politicalideological difference and raise questions concerning the form and impact of joint political action. With a nod to Bertolt Brecht’s definition of the “Beggar’s Opera” as a play for rather than about beggars, PREKÄROTOPIA is proposed not as a diagnosis of contemporary
society but as a vehicle of communication.
PREKÄROTOPIA is based on an unorthodox interpretation of the tradition of the Singspiel, a—usually comedic—theatrical performance with musical interludes. Emerging in the early eighteenth century, the format evolved into a simpler middlebrow counterpart to the lavishly
produced courtly opera. Engl, Felle, and Kaßner have taken inspiration from a wide range of models, from Soviet-era artists’ theater productions and revolutionary leftist workers’ songs from the 1920s to German revue films to American 1950s aqua-musicals and Neue Deutsche
Welle music videos.
Text & Curation by Stephanie Weber